Experiment des Monats
August 1999

Jodierung von Aceton

Bei Jodierungsreaktionen läßt sich der Endpunkt mittels der Jod-Stärke-Reaktion gut sichtbar nachweisen. Dies nutzen wir bei diesem Versuch, der an der Universität Ulm im Grundpraktikum Physikalische Chemie für Chemie-Lehramt durchgeführt wird, aus.

Aceton reagiert in salzsaurer wässriger Lösung mit Jod unter Bildung von Jodaceton:


Es wird zunächst die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Konzentration der Edukte untersucht. Daraus lassen sich die Reaktionsordnungen bezüglich der einzelnen Komponenten bestimmen.
Danach wird diese Reaktion bei verschiedenen Temperaturen durchgeführt. Unter Anwendung der ARRHENIUS-Gleichung kann die Aktivierungsenergie berechnet werden.
Herrn Prof. Dr. M. DAKKOURI, Abt. Elektrochemie, danke ich für die Unterstützung.


Geräte und Chemikalien:
Meßkolben (50 ml), Reagenzgläser, Meßpipetten, Stoppuhr, temperierbares Wasserbad.
4-molare wässrige Aceton-Lösung (29,4 ml Aceton mit Wasser auf 100 ml auffüllen), 1 M Salzsäure, 0,01 M Jodkaliumjodid-Lösung, 0,1%ige Stärke-Lösung

Bestimmung der Reaktionsordnungen:

Durchführung:
Zur Bestimmung der Reaktionsordnungen bezüglich der einzelnen Reaktanden, wird die "Methode der Anfangsgeschwindigkeiten" angewandt. Die Konzentration jeweils einer Komponente wird variiert, die Konzentrationen der anderen Reaktionspartner konstant gehalten. Aceton und Salzsäure sind stets im starken Überschuß vorhanden, daher können diese Konzentrationen als konstant betrachtet werden. Bestimmt wird jeweils die Reaktionszeit bis die gesamte Jodmenge verbraucht ist.
Als Indikator wird etwas Stärke zugegeben: Zunächst wird die blaue Färbung der Jod-Stärke von überschüssigem Jod überdeckt. (Grünbraune Lösung, im Foto links). Im Laufe der Reaktion tritt dann die blaue Farbe hervor (im Foto Mitte). Bei vollständigem Reaktionsablauf erfolgt Entfärbung (rechts).

Die Reaktion mit folgenden Zusammensetzungen durchführen:
  4 M Aceton 1 M HCl 0,01 M KII2 0,1% Stärke H2O
(1)  5 ml  5 ml  5 ml 1 ml 9 ml
(2) 10 ml  5 ml  5 ml 1 ml 4 ml
(3)  5 ml 10 ml  5 ml 1 ml 4 ml
(4)  5 ml  5 ml 10 ml 1 ml 4 ml
Bei ca. 20oC Aceton-Lsg., Salzsäure, Stärke-Lsg. und Wasser in einem 50 ml Meßkolben zusammengeben und 10 Minuten thermostatisieren. Jodlösung zugeben und Uhr starten. Zur besseren Beobachtbarkeit die Lösung in ein Reagenzglas füllen. Reaktionszeit bis zur Entfärbung der blauen Jod-Stärke bestimmen.

Auswertung:
Aus den Ergebnissen kann die Reaktionsordnung berechnet werden.
Für die Reaktionsgeschwindigkeit gilt:
    (1)     - d[I2]/dt = k [Aceton]a [H3O+]b [I2]c
Da die Jodkonzentration sehr gering gewählt wurde, entspricht die bestimmte Reaktionsgeschwindigkeit annähernd der Anfangsgeschwindigkeit:
    (2)     D[I2]/Dt » (d[I2]/dt)t=0
    (3)     v = - D[I2]/Dt » k [Aceton]a [H3O+]b [I2]c
Wird die Konzentration z.B. von Aceton verdoppelt gilt:
    (4)     v' = - D[I2]'/Dt' = k (2 [Aceton])a [H3O+]b [I2]c
D.h.: wenn die Reaktionsordnung a=1 ist, wird sich die Geschwindigkeit verdoppeln, bei a=2 vervierfachen usw..
Nun kann Gleichung (4) durch Gleichung (3) dividiert werden, man erhält:
    (5)     v'/v = 2a
Entsprechend können alle Reaktionsordnungen berechnet werden. Die Gesamtordnung der Reaktion ergibt sich aus der Summe der Exponenten (a+b+c).
Durch Einsetzen der Ordnungen und Konzentrationen läßt sich aus Gl. (3) die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k berechnen.

Erklärung:
Bei dieser Reaktion findet eine elektrophile Substitution statt. Es erfolgt zunächst die Bildung des Enols (Keto-Enol-Tautomerie des Acetons). Diese Reaktion ist sehr langsam = der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. An das Enol kann nun sehr schnell Jod angelagert werden (p-Komplex). Es bildet sich unter I--Abspaltung der s-Komplex, der sich durch Deprotonierung in Jodaceton umwandelt. Da Jod an der langsamen Enolisierung nicht beteiligt ist, ist die Reaktionsordnung bezüglich der Jod-Konzentration (c) annähernd 0, für die Ordnungen bezüglich Aceton (a) und HCl (b) findet man Werte um 1.

Bestimmung der Aktivierungsenergie:

Durchführung & Auswertung:
Die gleiche Reaktion wird mit Gemisch (1) bei vier weiteren Temperaturen (zwischen 20o und 30oC) durchgeführt und die jeweilige Geschwindigkeitskonstante berechnet.
Über die ARRHENIUS-Gleichung kann nun die Aktivierungsenergie bestimmt werden:
    (6)     k = A exp(EA/RT)
    (7)     ln k = EA/RT + const.
Trägt man ln k gegen 1/T auf, ergibt sich aus der Steigung der Geraden die Aktivierungsenergie.

Hinweise:
Jodaceton wurde im 1. Weltkrieg als Kampfstoff eingesetzt und möglicherweise auch später noch. Der Reinstoff und konzentrierte Lösungen wirken ätzend bzw. stark reizend und sind gesundheitsschädlich. Inwieweit dies auf die stark verdünnten Lösungen in diesem Experiment übertragbar ist (max. 1 mmol/l Jodaceton) ist umstritten.
Aus den genannten Gründen wird das Experiment teilweise für den Schulunterricht abgelehnt.


Gefahren:
Aceton ist leichtentzündlich, Salzsäure ätzend, die Jodlösung wirkt reizend.

Entsorgung:
Die Lösungen werden als nichthalogenierte organische Lösungsmittel-Abfälle entsorgt.

Literatur & Links:
A. Eucken, R. Suhrmann: "Physikalisch-Chemische Praktikumsaufgaben" - S. 154-158
G. P. Matthews: "Experimental Physical Chemistry" - S. 396-405
E. J. Slowinski: "Experimentelle Einführung ..." - S. 131-139
Grundpraktikum Physikalische Chemie, V. 24: Jodierung von Aceton; Univ. Ulm, 1997/98

Für die Aktivierungs-Enthalpie liegt ein Literaturwert vor: DHakt = 83,9 kJ/mol
Chiang, Kresge, Schepp: J. Am. Chem. Soc. 111 (1989), 3978


Juli 1999: Alkohol-Oxidation

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Seite erstellt am: Donnerstag, 29. Juli 1999, A. Schunk.