Experiment des Monats
Juli 2000

Das Eiweiß im Eiklar

Proteine (Eiweiße) gehören zusammen mit Kohlenhydraten (Stärke, Zucker) und Fetten zu den Hauptkomponenten der menschlichen Nahrung. Der Proteingehalt ist in den tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln sehr unterschiedlich: Fleisch enthält etwa 18-19% Eiweiß, Knochen um 30%, die Haut über 90%, Blut (Säuger) 21%, Milch (Mensch 1%, Kuh 3,2%, Schaf 5,6%), Eiklar 12%, Eidotter 33%, Getreidekörner 10-12%, Kartoffeln 2%, Sojabohnen 36%.

An fast allen Strukturen und Prozessen im lebenden Organismus sind Proteine beteiligt. Daher ist die Funktion der Proteine ist sehr unterschiedlich: Die Strukturproteine Kollagen, Keratin, und Elastin verleihen Haut und Bindegewebe ihre Festigkeit, Actin und Myosin bewirken die Muskelkontraktion. Hämoglobin und Albumin erfüllen wichtige Transportfunktionen im Blut (Sauerstoff- bzw. Lipid-Transport), die Immunglobuline (Antikörper) sind ein wichtiger Teil des Immunsystems und die Enzyme katalysieren die meisten chemischen Reaktionen im Organismus.

Allen Proteinen gemeinsam ist ihr Aufbau aus einzelnen Aminosäuren, die durch Peptid-Bindungen verknüpft sind. Zum Aufbau der Proteine genügen den Lebewesen 20 Aminosäuren: die proteinogenen Aminosäuren. Die Länge der Aminosäureketten kann sehr unterschiedlich sein: Insulin, ein Peptid-Hormon der Bauchspeicheldrüse, besteht aus 51 Aminosäuren, der rote Blutfarbstoff Hämoglobin aus insgesamt 574.

Experiment des Monats
Tyndall-Effekt
Experiment des Monats
Ausfällen des Proteins
Lysozym
Lysozym (Enzym im Eiklar)

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Geräte und Chemikalien:
Bechergläser, Lichtquelle
1%ige Kochsalz-Lösung, verd. Salzsäure, 1 Hühnerei.

Durchführung:
Das Eiklar eines Hühnereies in ca. 300 ml 1%iger Kochsalzlösung lösen. In einem abgedunkelten Raum mit einer punktförmigen Lichtquelle (kleine lichtstarke Taschenlampe, Dia-Projektor etc.) in die Lösung leuchten. Bei seitlicher Betrachtung zeichnet sich der Lichtstrahl als heller Streifen ab. Diese Erscheinung wird als Tyndall-Effekt bezeichnet.
Wird zu der Eiweiß-Lösung verdünnte Salzsäure gegeben, fallen die Proteine aus: Es bildet sich ein weißlicher Niederschlag.

Erklärung:
Die Wassermoleküle und die Ionen des Kochsalzes sind so klein, daß sie einfallendes Licht praktisch nicht streuen. Proteinmoleküle sind dagegen um das 100 bis 10.000-fache größer. Es tritt eine deutliche Lichtstreuung auf, auch wenn die Lösung noch transparent ist. Der Tyndall-Effekt kann auch bei Lösungen anderer Makromoleküle und bei Suspensionen beobachtet werden. (vgl. Experiment des Monats September 1999)

Die Struktur der Proteine wird vor allem durch Wasserstoff-Brückenbindungen stabilisiert, die zwischen den Peptidbindungen sowie zwischen polaren Seitenketten ausgebildet werden. Durch Änderung des pH-Wertes, z.B. durch Zugabe von Salzsäure, werden Carboxyl- und Aminogruppen in den Seitenketten protoniert, wobei Wasserstoffbrücken gelöst werden. Die Proteinstruktur wird aufgebrochen - man spricht dabei von Denaturierung - und das Protein fällt aus.
Der gleiche Prozeß geschieht auch im Magen, der salzsaure Magensaft besitzt einen pH-Wert von 0,9-1,5. Durch die Denaturierung ist die Proteinkette aufgefaltet und dadurch für die Verdauungsenzyme besser zugänglich. Eine Denaturierung von Proteinen geschieht außer durch pH-Änderung auch beim Erhitzen (Kochen, Braten usw.) und beim Einwirken konzentrierter Salzlösungen oder starker Oxidationsmittel.

Proteine im Eiklar
Das Eiklar des Hühnereies besteht aus einer etwa 12%igen Lösung von Proteinen in Wasser. Es bildet zwei dünnflüssige Schichten, die durch eine dickflüssige getrennt werden. Daneben kommen geringe Mengen Kohlenhydrate vor (hauptsächlich proteingebunden). Der Lipid- und Mineralstoffgehalt ist sehr gering.
Die Hälfte der Proteine entfallen auf Ovalbumin. Es ist eines der ernährungsphysiologisch wertvollsten Proteine, auf einer Skala bis 100 nimmt es den Wert 91 ein. Ovalbumin kann außer durch Erhitzen auch durch starkes Schütteln denaturiert werden. Darauf beruht das hohe Schaumbildungsvermögen des Eiklars und dessen Verarbeitbarkeit zu Eischnee bzw. Baiser.
Lysozym ist im Eiklar zu 4-5% enthalten. Es ist eine Mucopolysaccharidase, also ein Enzym, das bestimmte Kohlenhydratketten spalten kann. Damit ist es möglich, die Zellwände vieler Bakterien anzugreifen: Lysozym wirkt antibakteriell. Man findet Lysozyme in fast allen tierischen Körperflüssigkeiten, besonders Lysozymreich sind Tränenflüssigkeit, Speichel, Schleimhäute und Leukozyten (weiße Blutkörperchen). Lysozym war das erste Enzym, dessen Funktionsweise aufgeklärt werden konnte, und nach Myoglobin und Hämoglobin das dritte Protein, dessen Raumstruktur mittels Röntgenstrukturanalyse vollständig bestimmt wurde.
In kleinen Mengen enthält Eiklar das Protein Avidin. Avidin besitzt eine außerordentlich hohe Affinität zu Biotin, dem Vitamin H. Avidin bildet mit Biotin einen stabilen Komplex, der im Verdauungstrakt weder gespalten noch resorbiert werden kann. Daher kann es bei Einnahme größerer Mengen rohen (!) Eiklars über längere Zeit zu einem Biotin-Mangel kommen, in dessen Folge Dermatitits, Haarausfall und neurologische Störungen auftreten können. Durch Erhitzen wird das Avidin denaturiert, gekochte und gebratene Eier sind also "ungefährlich".

Entsorgung:
Die Lösungen können zum Abwasser gegeben werden.

Literatur & Links:
K.-H. Grothe: "Chemie" - Versuch 114.4, S. 114
R. Renneberg: "Elixiere des Lebens" - Köln: Aulis-Deubner, 1984
Lehrbücher zur Biochemie

Quellen für 3D-Modelle von Proteinen:
Protein-Datenbank
Web-Molecules
Institut für Molekulare Biotechnologie, Jena


Juni 2000: Eisen-Gallus-Tinte

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Seite erstellt am: Freitag, 30. Juni 2000, A. Schunk.